Die Familie Gernert und Zimmermann sind mit ihrem Gemüsestand nicht aus dem Stadtbild des Würzburger Marktes wegzudenken. Seit Jahren beliefern die Albertshöfer die Städter mit frischem Gemüse und Pflanzsetzlingen.
Kurz vor dem Erntedankfest ändert sich jedoch eine Kleinigkeit im Tagesgeschäft: "Ich habe meinen Mitarbeitern eingeschärft, am Freitag und Samstag vor dem Fest den Kunden nicht "ein schönes Wochenende" zu wünschen, sondern "ein schönes Erntedank", erklärt Doris Zimmermann. Sie führt in zweiter Generation diesen Stand gemeinsam mit ihrem Mann. Mutter Hermine ist vielen Würzburgern ein Begriff, Schwester Jutta hilft ebenso mit und Sohn Christian packt grade noch drei Zwiebeln mehr einer Kundin ein. Wobei: Ihre Familie muss sich diese Worte nicht einprägen.
Der 27-jährige Sohn Christian lacht, wenn er erzählt, dass seine Eltern ihm schon von klein auf Dankbarkeit gelehrt haben. "Es gibt so viele Gründe, dankbar zu sein. Das Jahr war für uns Gemüsebauer zwar hart, aber immerhin gab es keine Unwetter oder Hagelschäden. Auch das gehört für mich zu Erntedank. Dass man sich bewusst wird, wie gut es einem geht und was wir alles haben."
Die Städter sehen das ein bisschen anders, wie Doris Zimmermann weiß: "Als ich einmal einem Kunden einen "schönen Erntedank" gewünscht habe, winkte der ab und meinte: Das ist doch nur was für euch Bauern. Dieses Fest ist in der Stadt nicht unbedingt bekannt und viele haben es auch vielleicht vergessen, dass es das gibt. Das haben sie nicht so "auf dem Schirm". Vielleicht haben sie auch nicht das Gefühl, besonders dankbar sein zu müssen - wo es doch alles bequem, ohne viel Aufwand im Supermarkt zu kaufen gibt."
Umso wichtiger ist es ihr, den Dank weiterzutragen und das Bewusstsein - zumindest an diesem Tag und verbunden mit diesem Wunsch - wieder in die Köpfe der Kunden zu bringen. Die Christin empfindet es als ihren Auftrag, den Dank weiterzugeben. "Ich bin ja kein Pfarrer. Aber hier habe ich die Möglichkeit, zumindest einen kurzen Gedanken meinen Kunden mit auf den Weg zu geben", grinst sie verschmitzt.
Doch es hört nicht mit diesem kurzen Impuls an die Würzbuger, die bei ihnen einkaufen, auf. Bei Familie Gernert und Zimmermann geht der Dank noch weiter: Seit 18 Jahren beliefern sie die St. Johannis Kirche in der Innenstadt mit allem, was Feld und Flur hergeben.
"Unser damaliger Pfarrer, Gerhard Neumeister war gerade neu an die St. Johannis Kirche gewechselt. Nach Jahren als "unser Pfarrer" in Albertshofen war er es gewohnt, dass der Altarraum überquoll vor Gaben, die die Gemüsebauern brachten. Doch in der Stadt war das dann ein wenig anders", lächelt sie. "Am Tag vor Erntedank rief er mich an und fragte, ob ich nicht noch etwas übrig hätte. Vor seinem Altar lägen ein paar schrumpelige Möhren, ein paar Bohnen und ein Kürbis."
Doris Zimmermann packte also ein, was Feld und Flur hergaben und machte sich auf den Weg. "Für mich war das keine Frage. Ich musste sowieso in die Stadt, weil meine Tochter, die als "Frühchen" zur Welt gekommen war, zu dieser Zeit schwerkrank in der Kinderklinik lag. Für mich war es also eine Art "doppelter Dank" und eine Hilfe für die Städter.
Seit dieser Zeit beliefert die Familie die St. Johannis Kirche: "Äpfel, Winterkohl, Rosenkohl, Radieschen, Rettich und Wirsing. Und auf dem Acker schneide ich dann noch frisch Sonnenblumen für den Altarschmuck ab: Die Menschen in St. Johannis sollen sich das anschauen und freuen, was nur geht, wenn sie am Sonntag in die Kirche gehen", lächelt sie schelmisch.
"Spenden", so ist sie überzeugt, "sollten eigentlich im Verborgenen bleiben und unsere Christenpflicht sein." Dass sie es hier verraten hat, ficht sie nicht weiter an. Sie kennt das "schlechte Gedächtnis der Menschen. Obwohl Pfarrer Neumeister leider im letzten Jahr verstarb, soll diese schöne Tradition erhalten bleiben "so lange die Gemeinde will und es Erntedank gibt!"
Inge Wollschläger
Dieser Artikel ist im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern, Ausgabe 40/2018 erschienen. Die Bäckerei Gehrold hat auch in diesem Jahr das Brot gespendet. Vielen Dank alles Gebern!