Alpakas besuchen Seniorenkreis in Würzburg
Ganz vorsichtig schnüffelt Alpakadame Karamella an der Hand der sehbehinderten, 92-jährigen Irmgard Gräsing. Sie hat "Müsli" in der Hand - ein Spezialfutter für Alpakas. "Keine Angst. Beißen tut sie nicht!", erklärt ihr Tierbesitzerin Christiane Meidl. Dann nähern sich die Lippen des karamellbraunen Tieres. Die flauschige Schnauze senkt sich in die Hand und nimmt vorsichtig das krümelige Futter auf. Bisher kann sie sich nur auf die Kommentare der Schwärmenden verlassen: "Was für schöne Gesichter! Ach - diese Kulleraugen. Und schau nur, wie lieb sie schauen!" Doch nun spürt sie die leise Berührung des Tieres und hört die kleinen Summ-Laute, die Karamella zufrieden von sich gibt. "So was Schönes!", entfährt es ihr.
Nebenan hält Christa Brand fest die Zügel des Tieres in der Hand. "Nicht, dass eines abhaut!" Die Gefahr ist gering. Dafür sorgen auch die Besitzer Kilian Liebenstein und seine Partnerin Christiane Meidl. Verstärkung haben sie noch durch Tochter Tina Liebenstein, die die Tiere seit ihrem Einzug auf den Hof in Gützingen im Landkreis Würzburg in ihr Herz geschlossen hat.
"Es ist erstaunlich, welche Wirkung diese Tiere auf Menschen haben. Wenn man sie anschaut, ist man einfach glücklich!", weiß sie.
Diese Wirkung sollte auch in der Stadt verbreitet werden. Und so wurden die drei Alpakas Emilio, Marzo und Karamella in den Hänger eingeladen, um dieses Glück im Seniorenkreis von St. Johannis zu verbreiten.
"Der Mesner hätte auch seine Freude. Schöner kann man das Kirchengras ja gar nicht kurz halten!", lacht Renate Schuhnagel. Innerhalb kürzester Zeit kennen alle die Namen der Tiere. Viele von ihnen sind mit Tieren aufgewachsen. Hier in der Stadt haben die wenigsten Senioren ein Haustier. Alpakas - das ursprüngliche Nutztier der Bevölkerung Südamerikas - haben die wenigsten bisher aus der Nähe gesehen. Das puschelige Aussehen der Tiere mit den sanftmütigen großen Augen schlägt alle jedoch sofort in seinen Bann. Auch wenn sie seit einigen Tagen nicht wie sonst dick und flauschig aussehen. Denn die drei kommen frisch vom Friseur. "Zeit wurde es! Die Hitze und das dicke Fell waren keine gute Kombination mehr.
Nach der Schur sind die erst einmal richtig herumgetollt", grinst Tina Liebenstein.
"Das ist mein Liebling!", erklärt Christa Brandt und wuschelt Karamella zwischen den Ohren. Fast ist sie ein bisschen geschmeichelt - hat ihr doch Liebenstein erzählt, dass Karamella das eigentlich nicht mag. Es sieht aus, als lächelte das Tier dazu. "Reine Kuscheltiere sind es eben nicht. Sie bestimmen alles: Das Tempo, die Zeit und die Berührung!" So scheint es, als hätte Christa Brandt ein Händchen für das Alpaka.
Vor fünf Jahren haben sie sich in einem Urlaub in diese Tier verliebt. Seit einem Jahr gehören ihnen die drei Neuweltkameliden - wie Alpakas fachmännisch heißen. "Es heißt ja immer: Wenn man einmal in die Augen dieser Tiere geschaut hat, lassen sie einen nicht mehr los. Und genau so war es bei uns", erzählt Meidl. "Sie machen natürlich Arbeit", ergänzt Liebenstein. "Aber wenn man dann mit ihnen zusammen ist, entschädigt das für alles und es ist Vergnügen und keine Arbeit. Wir sind da sehr fürsorglich, dass die Tiere alles haben. Zeit spielt keine Rolle, wenn man sie sieht. Sie nehmen einem die Zeit und den Stress. Sie machen mich einfach glücklich. "
Tochter Tina schmunzelt: "Die Eltern stecken da viel Liebe rein. In den Hänger haben sie ein Fenster gebaut und eine Rampe dazu. Abends leuchtet eine Lichterkette im Stall." "Mir ist eben das Wohl der Tiere wichtig", nickt Liebenstein senior. Die Umstehenden nicken zustimmend. Verantwortung, Liebe und Zuneigung für ein Tier kennen viele von früheren Zeiten. Den Seniorinnen und Besuchern erzählen die drei Alpaka-Begeisterten viel Wissenswertes über diese Tiere. Und sogar ein Geheimnis wird ihnen verraten: "Karamella soll schwanger werden und für Nachwuchs sorgen." Das wiederum lässt alle einen neuen Plan schmieden: Das Baby muss dann unbedingt besucht werden.
Inge Wollschläger
Dieser text erschien im Evangelischen Sonntagsblatt aus Bayern zum 10.6.2018, Ausgabe 23