Am kommenden Pfingstsonntag, 23. Mai, 10 Uhr, führt die Regionalbischöfin des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Ansbach-Würzburg Gisela Bornowski Herrn Henning Albrecht als Prädikant und Frau Ingeborg Wollschläger als Lektorin in Würzburg St. Johannis ein. Die beiden Eingeführten sind ab dann öffentlich beauftragt, für die evangelische Kirche Gottesdienste zu halten. Sie tun das ehrenamtlich.
St. Johannis: Herr Albrecht, Sie werden am Pfingstsonntag als Prädikant in St. Johannis eingeführt. Was bedeutet das eigentlich?
Albrecht: Als Prädikant darf ich im Auftrag der Evangelischen Kirche Gottesdienste halten, predigen und das Abendmahl feiern.
St. Johannis: Was hat Sie dazu bewogen, diesen Schritt zu tun?
Albrecht: Ich predige gerne. Das bedeutet, dass ich den vorgegebenen Predigttext gründlich überdenke und in Beziehung zu meinem Alltag und dem Leben heute stelle. Hier versuche ich eine Antwort zu finden auf Fragen, die sich mir gestellt haben, und ich versuche, diese Antwort der Gemeinde näher zu bringen.
St. Johannis: Wie sind Sie dazu gekommen?
Albrecht: Das ist eine lange Geschichte, eine Geschichte meines eigenen Glaubens und seines Wachsens. Angefangen hat alles in einer Lagerfeuerrunde bei den Pfadfindern, wo mein damaliger Gruppenleiter die einfache Frage stellte: „Wieso bist du eigentlich im VCP, dem Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder?, und wieso bist du nicht im V_P?“ Vor zehn Jahren dann hielt ich für unsere Kreuzpfadfinder-Runde während der Friedensdekade eine Andacht in der Marienkapelle und bekam die Rückmeldung, dass ich richtig gut gepredigt hätte. Daraufhin beschloss ich, die Ausbildung zum Lektor und Prädikanten anzustreben, und bat den Kirchenvorstand von St. Johannis um seine Einwilligung.
St. Johannis: Frau Wollschläger, als Lektorin werden Sie in Zukunft Wortgottesdienste halten. Was tut die Kirche, um Sie auf diese Aufgabe vorzubereiten?
Wollschläger: In acht Wochenendeinheiten wurde den angehenden Lektoren und Lektorinnen alles rund um den Glauben, die Gottesdienstgestaltung sowie viel theologisches Fachwissen vermittelt. Das Ganze in einer sehr schönen Atmosphäre in entzückenden, evangelischen Tagungshäusern mit unfassbar leckerem Essen.
St. Johannis: Wo sehen Sie Ihre besonderen Gaben und Begabungen für den künftigen Dienst?
Wollschläger: Ich bin vor allem für den Dienst in den Seniorenheimen des Gemeindegebiets zuständig. Dazu habe ich einmal die Erlebnisse während eines Gottesdienstes im Advent in Worte gefasst:
"Ich sitze lieber im Flur. Ich habe es an der Lunge. Und der Rauch. Die Kerzen!"
Die alten Damen mit den Diabetikerpuschen an den Füßen, die sie kokett - im Rollstuhl sitzend- übereinandergelegt hat, hüstelt bedeutungsschwer unter der Maske.
Im Rollstuhl - oder gebückt über den Rollator, trudeln die Menschen zum Gottesdienst im Seniorenheim.
In der hauseigenen Kapelle bleiben die Türen nicht auf.
"Fummeln hat noch nie was gebracht", schlottert eine der Alten. "Schüttellähme!", nannte meine Omma Lydia sehr passend die Parkinson-Krankheit. Meine Omma sprach dabei das Ausrufezeichen immer gleich mit.
"Fummeln hat noch nie was gebracht", schlotterte die Alte, als ich versuchte, die Tür offenstehen zu lassen. Sie ist ein bisschen zeitverzögert. Die Lieder, die gespielt, aber nicht gesungen werden dürfen, brummt sie beim anschließenden Gebet oder Predigt unter ihrem Nasen-Mund-Schutz hervor.
Als "Zelebrantin" der Andacht erfordert es Konzentration, nicht aus dem Konzept gebracht zu werden. Eine andere Frau seufzt laut und vernehmlich, möppert irgendwas in die Maske, um sie sich anschließend sehr umständlich aus dem Gesicht und in einer sehr ordentlichen Art und Weise in einer Westentasche verschwinden zu lassen. Die Betreuungskraft kann beim beständigen Versuch, sie ihr wieder aufzusetzen, nur in einer Lautstärke sprechen – nämlich laut.
Das Konzept der Masken wird von den wenigsten BewohnerInnen im Seniorenheim verstanden. Weshalb die Betreuungsdame reihum umhergeht und mich gedanklich kurzfristig von "Tochter Zion" auf "Der Plumpsack geht um" umswitchen lässt. Im Hintergrund scheppert es aus der Küche zum nahenden Abendbrot. Fast erwartet man noch, das Horn von Gondor in der Ferne zu hören.
Hier lernt man liturgische Präsenz.
Doch dann passierte es ganz beiläufig - bei der 5. Strophe von "Macht hoch die Tür" -, kurz nachdem ich das grelle Deckenlicht löschte, weil es in der Anspreche um ein sehr kleines Licht ging und wir nun im Kerzenschein saßen. Ich setzte mich neben die „Westentaschenfrau“, weil sie eine "Hinlauftendenz" hatte und gerne zurück in ihre Vergangenheit gelaufen wäre. Und in diesem einen Moment war alles da und alles gut.
Es war einer dieser kleinen, heiligen und seltenen Momente. Nicht nur für mich – auch für die Bewohnerinnen. Da zog ein zukünftiges, kleines Kind in unsere Herzen ein. Die Alten wurden ruhiger. „Schlotterten“ weniger, fummelten nicht mehr, waren andächtig und spürten – wie ich - den Zauber des Augenblicks.
Bei der Verabschiedung sagte eine der Bewohnerinnen: "Fräulein. Des war arch schö'. Kaufen sich was Schönes!“ Und drückte mir 4 Euro in die Hand.
Kurz und gut: Ich liebe diese oftmals überraschenden Gottesdienste in den Seniorenheimen, die so sehr ehrlich sind. In denen es weniger um Worte, als um Erinnerungen einer Glaubensspur im Leben geht. Gefühle, die hervorkommen dürfen und die von einer grundsoliden Frömmigkeit geprägt sind. Das berührt mich jedes Mal tief. Und natürlich auch die großartige Situationskomik eines Momentes.
St. Johannis: Wo würden Sie, Herr Albrecht, als Ihre besonderen Gaben und Begabungen beschreiben?
Wie schon erwähnt, predige ich gerne, und das spürt die Gemeinde. Besonders gerne predige ich frei, also ohne vorformulierten Text. Dann habe ich nur die Sätze ausgedruckt dabei, die ich wörtlich bringe, z.B. den Predigttext. Ansonsten habe ich nur Stichwörter, und das hilft mir, während der Predigt auch in einen intensiven Kontakt zur Gemeinde zu kommen. Ich hoffe, dass ich damit auch meine Begeisterung für Gott der Gemeinde spürbar machen kann.
St. Johannis: Welche Handlung im Gottesdienst mögen Sie besonders, Frau Wollschläger?
Wollschläger: Ich mag den Segen. Ich wurde schon als Kind jeden Tag, bevor ich in die Schule ging gesegnet. Und noch lange bevor ich Superschurken- oder Weltraumfilme kannte, war das meine Art „Superkraft“. Mit einem Segen wird man in einen Schutz „eingewoben“. Er stärkt und schützt einen gegen die Widrigkeiten des Lebens. So fühlte es sich als Kind an – und dieses Gefühl ist immer noch vorhanden.
St. Johannis: Wo können wir Sie, Frau Wollschläger, in nächster Zeit bei Gottesdiensten besser kennen lernen?
Wollschläger: Werden Sie alt und gebrechlich und ziehen Sie ins Senioren- und Pflegeheim. Da sehen wir uns. (Scherz).
Sie finden mich in den Gottesdiensten in den fünf Seniorenheimen im Gebiet der Kirchengemeinde, die jedermann „von außen“ ebenfalls besuchen kann – unter den aktuellen Gegebenheiten der Hygiene. Oder in einem Gottesdienst in der Gemeinde.
St. Johannis: Und Sie, Herr Albrecht?
Albrecht: Ich werde für drei Dienstbereiche berufen: einmal für St. Johannis, dann für das Dekanat Würzburg und - das ist ein Novum - für Gottesdienste im Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder. Mein Einsatz wird aber hauptsächlich in der Gemeinde St. Johannis erfolgen, z.B. im Dürrbachtal, auf dem Hubland oder in Krankenhäusern.
St. Johannis: Alles Gute und Gottes Segen für Ihren Dienst!